Ein Leutesdorfer erinnert sich.

 

                                                                                                          Geklaute Briketts.

Nach dem Krieg waren Lebensmittel und Brennmaterial für die Öfen und Herde rar. Selten gab es Zuteilungen und dann so wenig, daß es binnen kurzer Zeit verbraucht war. Die Stromleitungen waren zerschossen, so daß auch erst elektrisch gekocht werden konnte, als nach und nach wieder Elektrizität in die Häuser verlegt war. Kochen auf dem Herd war also üblich und das hieß für uns Kinder, wir mußten helfen, Brennmaterial zu besorgen.

Es gab verschiedene Möglichkeiten, die aber alle sehr mühsam waren. So gingen wir den Bahndamm ab, von Fahr bis Hammerstein, und sammelten den Koks zwischen den Schienen auf, den die Züge vor langer Zeit einmal verloren hatten. Mit dem Handwagen ging es ins Bachmühltal, um Holz zu holen. Die Wälder waren aber längst kahl. Es war schwer, einen Wagen voll Knüppelholz zu schlagen. Auch Heister, von denen zwei oder drei an einem Strick nach Hause gezogen wurden, waren kaum zu finden.

Not macht erfinderisch, und so sannen wir auf Methoden, die leichter zum Ziel führten. Im Sommer klauten wir Briketts auf den Frachtschiffen, die bereits wieder auf dem Rhein fuhren. Wir saßen auf der Spitze einer Klippe, in Badehose und einem zusätzlichen Ledergürtel am Bauch, und warteten auf eine günstige Gelegenheit. Wenn dann von Hammerstein her ein Schlepper auftauchte, gab es Alarm. So ein Schlepper, es waren meist noch Schaufelraddampfer, zog drei oder vier Frachtkähne, die alle mit dicken Stahltrossen am Schlepper festgemacht waren. Die Trosse waren sehr lang und glitten teilweise unter der Wasseroberfläche dahin, manchmal mehrere Meter vom Rumpf eines vorausfahrenden Kahnes entfernt, wenn der dahinter fahrende Kahn versetzt zum vorderen fuhr. Oft waren die Trosse, aus mehreren dicken Drähten gedrehte Seile, aufgespleißt, so daß es lebensgefährlich war, in ihre Nähe zu kommen. Wir Jungen wußten das natürlich und schwammen immer nur an den letzen Kahn eines solchen Schleppzuges. Wenn dieser letzte Kahn dann noch mit Briketts beladen und kein Hund zu sehen war, ging es rein ins Wasser. Wir schwammen an die Bordwand, ein Klimmzug und wir lagen auf dem Gangbord. Schnell wurden zwölf oder fünfzehn Briketts kreuzweise aufgeschichtet, immer drei in einer Lage, und dann der Ledergürtel stramm darum gebunden. Mit einem Sprung und den geklauten Briketts ging es wieder ins Wasser, bevor jemand von den Schiffern in unserer Nähe war. Diese hatten es sicher auch nicht leicht, denn vom Ruhrgebiet bis Basel herrschte Not und es passierte ihnen immer wieder, daß Briketts abhanden kamen. Oft war ein Hund an Bord, und dann hieß es, vorsichtig zu sein. Vor dem Schiffer hatten wir keine Angst, denn er mußte auf der Brücke bleiben. So ein Frachtkahn ist recht groß und bis uns sonst jemand erreichen konnte, waren wir längst wieder im Wasser.       

Wieder an Land, schleppten wir den Fang nach Hause und saßen bald wieder in Wartestellung auf der Spitze einer Klippe. Wir diskutierten darüber, wer eigentlich den Schaden durch unsere Raubzüge hat und hofften auf Verständnis.

H.Mohr